BuDuClan-Kontexte

Oftmals gewinnt eine Sache durch Betrachtung des genauen Gegenteils erst richtig an Tiefenschärfe und Kontur. . . Das absolute Gegenteil von BuDuClan sind die perfekten Inszenierungen a la Madonna, Jackson usw. Das Madonna in “Pappa don`t preach” bei der Zeile “if you don`t know by now – I`m not a babe” in ihrem Schulmädchenkostüm ihren Faltenrock hochzieht ist schon Kunst, ganz große Kunst ist es aber die Gefühlslage der Zielgruppe der pubertierenden Teenager ins Zentrum zu treffen . . .also ein erfolgreiches Produkt mit guten, sachgerechtem Marketing, dass sogar dynamischem Wandel antizipert, weil derselbe Titel für die Tourneen in sich verändernden Inszenierungen aufgeführt wird, geschickt Zeitströmungen, wie freeclimbing oder scatching aufgreift und in die Shows intergriert, Provoziert bis exakt an die Grenze des nicht mehr Tragbaren. “I´m a material girl” – kauft das Madonna Parfum ! Der Produktüberdruss wird durch chamäleonhaften Typwechsel schon im Ansatz bekämpft -Perfekt ! Oder Michael Jackson, der auch jeden Schritt plant – pure hochgespannte Energie, die sich in Rhytmus und Bewegung entlädt. Da fliegen einem die Textzeilen wie Maschinengegehrsalven um die Ohren ! Dieser nun, hüllte sich einerseits in ein “umwittertes Geheimnis” um seine Person, ließ aber andererseits die Welt an seinem leidvollen Schicksal bis zum tragischen Ende teilhaben. . . He changed his face- but stayed the same. Das was Beide herstellen ist große Kunst – keine Frage, aber der Produkt- charakter haftet ihr an ( und wird sie nicht los, wie die eigene Haut : “Black or white” ), weil Produktidee-Inszenierung-Marketing in erster Linie kapitalistische Produktionsformen abbilden ( und schon deshalb den Weg zur wirklich freien Gestaltung blockieren ) und erst in zweiter Linie diesem Prozess seine Dynamik verleiht – und der spontane Impus nur noch zur Initiation, aber nicht mehr als tragender, sinnstiftender Kern wahrgenommen wird. Das Salz in dieser Suppe ist jeweils die Prise Identität, der einzelnen Künstler, die dem Produkt erst wieder Seele verleihen. . . Bäh ! Bäh ! würde da BuDu sagen . . .überraschenderweiseaber aber nimmt mich die Intensität der Musik und die Hingabe der Künstler gefangen und hinterlässt mich voll begeistert. Zu “Holliday” oder “Beat it” zu tanzen ist mir ein außerordentlich großes Vergnügen ! Was ich aber suche, liegt außerhalb dieser skizzierten Strukturen. Seit Menschen-gedenken, ist die Kunst in den Dienst einer Sache gestellt worden, die über das Diesseitige hinausweist. In den Urgesellschaften, war der Künstler Schamane ( Heiliger, Arzt, Magier in Einem ), in den Hochkulturen Handwerker der Macht, dann bis zum Mittelalter der der Kirchenfürsten, dann bis zur Aufkärung der der weltlicher Herrscher, bis dann zur letzten Jahrhundertwende der Künstler frei von der Aufgabe Abzubilden wurde, weil es dafür nun Fotoapparate gab . . . Zu dieser Zeit der “Klassischen Moderne” explodiert die Kunst in unterschiedlichste “-,ismen, die bis heute die Ahnen zeitgenössischer Kunst sind. Diese Geburtsstunde der “Freien Kunst” ändert sowohl die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, als auch die ökonomischen Bedingungen unter denen er lebt – nämlich nicht mehr “das Lied des Herrn singen zu müssen, des Brot man ißt”, was Andy Warhol in den 1960er Jahren mit seiner “Factory” als Kunstfabrik dann auch auf den Punkt brachte. Der Künstler mit selbstbestimmten Inhalten als Popstar, der sein Publikum und damit sein Brot sucht. Die nie dagewesene Freiheit, wird nun wieder an den Publikumsgeschmack unter der Gefahr, das Ratings das Werk bestimmen, verkauft. Auf die Musik ( die ja schon immer publikumsbezogenen Erwägungen unterworfen war ) bezogen, ist dieser Nullpunkt zeitgleich in den 1960er Jahren verlaufen. Woodstock, Beatles, Punk – plötzlich ist Alles möglich und Alles ist plötzlich da – bis es dann wieder “eingetütet” in den Verkaufsregalen erscheint. Das Punk und Vermarktung ein unvereinbarer Widerspruch sind, wird garnicht wahrgenommen . . . Die Musik wird mit Stilen etikettiert, in Schubladen einsortiert und was nicht hineinpasst, bekommt dann das Etikett “Crossover” . . .und Alles ist wieder gut. Die vermeintliche Freiheit in der wir leben, ist die Freiheit der Auswahl ( IKEA-Kreativität ), aber nicht die Freiheit des unmittelbaren, authentischen Ausdrucks. Das ( auch unsere westliche ) Presse nicht frei ist, und unsere Selbstbestimmtheit da endet, wo gegen den systemimmanenten Lebensvollzug verstoßen wird, wird kaum bemerkt. Wenn aber Stockhausen von 9/11 als “einem großen Kunstwerk” spricht, die Kamera 2 Sekunden zu lange auf den Beinen einer Politikerin in einer Talkshow haftet oder Lars von Trier äußert, dass er “Hitler verstehen könne . . .”, drohen ihnen die schlimmste Strafe, die schon die Urgesellschaften verhängten – der Ausschluss aus der Gemeinschaft. So ist das ! Wer nicht mitspielt fliegt raus ! Ein faires Spiel aber legt die Regeln offen . . .und dieses Spiel ist unfair, weil die dahinterstehenden Intentionen vorsätzlich verschleiert werden ! Wenn die Teilhabe an unserer Gesellschaft ein Einverständnis in soviel Lieblosigkeit voraussetzt, muss das aber ausgehalten werden . . . So tanzen wir um das “Goldene Kalb” wie zum Beginn unserer Zeitrechnung, führen die abgeschaffte Sklaverei hintenrum durch Billiglohndumping wieder ein, Räuber springen “Geld oder Leben” rufend mit vorgehaltener Pistole aus dem Busch. BuDuClan muss also zunächst die Produktstruktur (s.o.) eliminieren, um den freien Raum überhaupt erreichen zu können und damit die Absicht ein reproduzierbares und konsumierbares Produkt herzustellen aufgeben. Die Aufmerksamkeit, die ehemals an die prozessformende Produktkette, gebunden war, darf nun frei werden und die authentischen Impulse in die Tiefe verfolgen. . .und darauf vertrauen, das sich eine die aspektreiche, schillernd Struktur bildet, die mehr aussagt, als schon vorher gewußt, gefühlt und erlebt wurde und dadurch einen neuen Sinnzusammenhang erschließt. Folglich verbietet sich hier auch jegliche Inszenierung, weil sie ja vorwegnähme, was seine Form erst noch sucht. Ebenso ist Marketing vollkommen sinnlos, weil es ja kein Produkt, sondern nur eine Prozessidee mit ungewissem Ausgang gibt. ( Diesbezüglich ist die Idee “Orte zu bespielen” noch nicht vom Tisch . . .) Die hieraus ganz organisch entstehende Vielfalt , ist etwas vollkommen anderes ein Produkt, weil ihm die produktdefinierenden Merkmale ( s.O. ) fehlen. Das hörbare Ergebnis jeder Session, ist als Rohmaterial ein zufälliger ( aber nicht beliebiger ! ) Ausschnitt eines prinzipiell endlosen Kontinuums, das nur punktuell ( zu den Sessionterminen ) abgegriffen wird, prinzipiell aber sozusagen mit abgedrehten Ton im Hintergrund weiterläuft. . .bis wir die Verstärker wieder einschalten. . . “IRGENDWAS IST immer . . . !” In den Cuts hingegen, wird lediglich komprimiert, equalized und gemastert ( und nur sehr selten rearrangiert ). Der Flow und nichts anderes ist hierbei federführend. Die Authentizität des Materials bleibt unangetastet. Brüche, Irrwege und dergl. , werden als stilbildend wahrgenommen und nicht heraus operiert, um das Material zu schönen. Michael Jackson radiert jeden Makel radikal aus und geht sogar soweit seine Hautfarbe zu bleichen, Madonna hingegen lässt ihre Zahnlücke bislang unkorrigiert und es darf vermutet werden, das sie diese als identitäsbildend erkannt hat. Makellosigkeit des Produktes vs Identitätsbildender Differenz… Diese wahnhafte Produktoptimierung nun umzudrehen und alles Widrige hervorzuheben und alles Gefällige herauszuschneiden, würde ja der ” das Opfer wird Täter – Dramaturgie” entsprechen und sich nicht von den üblichen Abgrenzungsstrategien der Schubladenwelt unterscheiden, in der die Punks alles Harmonische, die Schlagerfans alles Dissonante ausblenden. Was B(u)D(u)C(lan) hier macht, ist nicht neu, aber neu erfunden. Genaugeommen ist es “Karneval”, der als traditionell verankerte Methode schon vor 5000 Jahren zelebriert wurde, ist es “T.A.Z.”: Die Temporäre Autonome Zone ( Peter Lamborn Wilson alias Hakim Bey, der, wie auch BDC auch seine Urheberrechte aufgibt ), als in den 1980er Jahren herausgekommenes Update, bis zu den Hausbesetzungen und Flashmobs von Heute. BuDuClan folgt keiner Musikrichtung, sondern ist eine Haltung ! Dieses Pamphlet wurde auf ein ehemaliges Wahlplakat geschmiert und ist eine Hinterlassenschaft einer Band, aus unserem Probenraum. . . wie passend, dachte BuDuClan, entriss es der Vernichtung und adoptierte es.

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